BGH zum Anspruch des stillen Gesellschafters auf Rückgewähr seiner Einlage

BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 -II ZR 354/02

Der Anspruch des stillen Gesellschafters gegen den Inhaber des Handelsgeschäfts auf Einlagenrückgewähr unterliegt jedenfalls dann im Ergebnis keinen Beschränkungen nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft, wenn der Inhaber des Handelsgeschäfts gleichzeitig verpflichtet ist, den stillen Gesellschafter im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er nicht beigetreten wäre.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des
Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom
5. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter der R. AG (im folgenden:
die Beklagte). Die Beklagte, deren sämtliche Aktien von ihrem vormaligen
Alleinvorstand A. Re. gehalten werden, befaßte sich mit dem Erwerb
und der Verwertung von Kapitalanlagen, Unternehmensbeteiligungen und Immobilien.
Das dafür erforderliche Kapital brachte sie durch den Abschluß zahlreicher
stiller Gesellschaftsverträge auf. Nach dem jeweils zugrundeliegenden
„Vertrag über eine Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter“ hatte der Anleger
eine Einlage als Einmalzahlung oder in monatlichen Raten zu erbringen.
Weiter war vorgesehen, daß die stillen Gesellschafter im Innenverhältnis an
dem Vermögen der Beklagten so beteiligt sein sollten, als ob es ihnen und der
Beklagten gemeinsam gehören würde, und daß den stillen Gesellschaftern der
Gewinn im wesentlichen entsprechend der Höhe ihrer Einlagen und dem
Grundkapital der Beklagten zustehen sollte – nach Abzug eines Vorwegbetrages
in Höhe von 6 % zugunsten der Beklagten. Ferner sollten die stillen Gesellschafter
nach dem gleichen Schlüssel an etwaigen Verlusten beteiligt sein,
allerdings nur bis zur Höhe ihrer jeweiligen Einlage. Bei einer Beendigung der
stillen Gesellschaft sollte eine Auseinandersetzung stattfinden, bei der die Vermögenswerte einschließlich des Geschäftswerts des Unternehmens unter Auflösung
stiller Reserven mit dem Verkehrswert zu berücksichtigen sein sollten.

Am 22. November 2000 unterzeichnete der Kläger Angebote („Zeichnungsscheine“)
zum Abschluß zweier Gesellschaftsverträge nach dem vorbezeichneten
Muster mit Einlagen i.H. von 14.000,00 DM und 13.440,00 DM, jeweils
nebst einem Agio und zahlbar teilweise sofort, teilweise in monatlichen
Raten. Dabei – nach der Behauptung der Beklagten bereits früher – erhielt er
einen mit „Präsentation“ überschriebenen Prospekt der Beklagten.

Mit Anwaltsschreiben vom 17. April 2001 forderte der Kläger die Beklagte
auf, die von ihm bereits geleisteten Zahlungen zurückzugewähren, und verweigerte
weitere Zahlungen. Zur Begründung machte er geltend, die Verträge seien
wegen Verstoßes gegen § 32 KWG gem. § 134 BGB nichtig. Hilfsweise erklärte
er die Kündigung der Verträge wegen mangelhafter Aufklärung über die
Nachteile und Risiken der Kapitalanlage.

Mit seiner Klage hat der Kläger Rückzahlung von 16.353,32 DM verlangt,
das sind die von ihm an die Beklagte gezahlten Beträge abzüglich einer Entnahme
i.H. von 466,68 DM. Land- und Oberlandesgericht haben der Klage
stattgegeben. Dagegen richtet sich die von dem Berufungsgericht zugelassene
Revision der Beklagten. Der Kläger wehrt sich gegen die Revision mit der Maßgabe,
daß die Forderung zur Tabelle festgestellt wird.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

I. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die Verträge als Einlagengeschäfte
i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 32 KWG anzusehen und deshalb
mangels einer dafür erforderlichen Erlaubnis der Beklagten gem. § 134 BGB
nichtig sind, ob sie wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nichtig sind und ob
sie wegen der Möglichkeit der Beklagten, Börsentermingeschäfte zu tätigen bei
fehlender Termingeschäftsfähigkeit des Klägers nach § 53 BörsG a.F., unwirksam
sind. Es hat angenommen, daß die Beklagte nach den Grundsätzen der
Prospekthaftung und des Verschuldens bei Vertragsschluß zur Rückzahlung
der geleisteten Beiträge verpflichtet sei und daß dieser Pflicht die Grundsätze
über die fehlerhafte Gesellschaft nicht entgegenstünden.

II. Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellung des Berufungsgerichts,
die Angaben in dem von der Beklagten herausgegebenen Prospekt
genügten nicht den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an
die Richtigkeit und Vollständigkeit von Prospekten im Rahmen von Kapitalanlagemodellen
und begründeten deshalb eine Schadensersatzpflicht der Beklagten
als der für den Prospekt Verantwortlichen (vgl. BGHZ 71, 284; 79, 337; 123,
106; Urt. v. 18. Dezember 2000 – II ZR 84/99, ZIP 2001, 369; v. 3. Februar 2003
II ZR 233/01, DStR 2003, 1494). Ebenso nimmt sie die Auffassung des Berufungsgerichts
hin, die Beklagte hafte zusätzlich wegen Verletzung von Aufklärungspflichten nach den
Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluß(culpa in contrahendo) i.V.m. § 278 BGB.

Dagegen ist revisionsrechtlich auch nichts einzuwenden. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats muß einem Anleger für seine Beitrittsentscheidung
ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden,
d.h. er muß über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher
Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen
speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken, zutreffend,
verständlich und vollständig aufgeklärt werden (BGHZ 79, 337, 344; Urt.
v. 7. April 2003 – II ZR 160/02, WM 2003, 1087, 1088). Das ist hier – wie das
Berufungsgericht in fehlerfreier tatrichterlicher Würdigung festgestellt hat –
weder durch den Prospekt noch durch die Erklärungen der für die Beklagte tätig
gewordenen Vermittler K. und F. geschehen. Die fehlerhafte Aufklärung
ist nach der Lebenserfahrung auch ursächlich für die Anlageentscheidung
geworden (vgl. Sen.Urt. v. 29. Mai 2000 – II ZR 280/98, NJW 2000, 3346, 3347).
Damit ist der Kläger so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er die beiden stillen
Gesellschaftsverträge nicht abgeschlossen hätte. Ob die Investition tatsächlich
werthaltig ist, spielt dabei keine Rolle. Zwar hat der Bundesgerichtshof angenommen,
daß es bei einer voll werthaltigen Kapitalanlage an einem Schaden
des Anlegers fehlen könne (BGHZ 115, 213, 221; Urt. v. 27. September 1988
XI ZR 4/88, ZIP 1988, 1464, 1467; v. 19. Dezember 1989 – XI ZR 29/89, WM
1990, 681, 684). Hier geht es aber um Nachteile und Risiken des von der Beklagten
angebotenen Anlagemodells, die sich nicht auf die von ihr getätigten
Investitionen, sondern auf die Art der Vertragsgestaltung im Rahmen der stillen
Gesellschaften beziehen. Das betrifft nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
die ungünstigen Entnahmemöglichkeiten, die langfristige Vertragsbindung
und insbesondere die Unbestimmtheit und Widersprüchlichkeit der im Ermessen
der Beklagten stehenden Anlagestrategie. Damit liegt der Schaden des
Klägers darin, daß er überhaupt eine derart ungünstige Art der Vermögensanlage
gewählt hat, unabhängig von dem gegenwärtigen Stand dieses Vermögens.

III. Die Revision wendet sich gegen die Annahme des Berufungsgerichts,
die Inanspruchnahme der Beklagten auf Rückzahlung der geleisteten Einlagen
verstoße nicht gegen die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft. Sie
meint, diese Grundsätze seien auf eine stille Gesellschaft ohne Einschränkungen
anwendbar und führten dazu, daß die Beteiligungen des Klägers nur mit
Wirkung für die Zukunft beendet werden könnten und daß er nicht seine vollen
Einlagen, sondern nur seine möglicherweise geringeren Abfindungsguthaben
herausverlangen könne. Dem kann nicht gefolgt werden.

Das Berufungsgericht hat aus den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft,
nach denen die in Vollzug gesetzte fehlerhafte Gesellschaft für die
Vergangenheit als wirksam zu behandeln und lediglich mit Wirkung ex nunc
kündbar ist, zu Recht keine Beschränkung des Schadensersatzanspruchs des
Klägers hergeleitet. Der Senat hat diese Grundsätze zwar nicht nur auf Gesellschaften
mit eigenem Vermögen angewandt, sondern auch auf reine Innengesellschaften
wie die stillen Gesellschaften, die kein gemeinschaftliches Vermögen
bilden (BGHZ 8, 157, 166 ff.; 55, 5, 8 ff.; 62, 234, 237; Urt. v. 12. Februar
1973 – II ZR 69/70, WM 1973, 900, 901; v. 25. November 1976 – II ZR 187/75,
WM 1977, 196, 197; v. 22. Oktober 1990 – II ZR 247/89, NJW-RR 1991, 613,
614; v. 29. Juni 1992 – II ZR 284/91, ZIP 1992, 1552, 1554; zweifelnd in Urt. v.
18. Juni 1990 – II ZR 132/89, WM 1990, 1543, 1546; ebenso Zutt in Großkomm.
HGB, 4. Aufl. § 230 Rdn. 69; Baumbach/Hopt, HGB 31. Aufl. § 230 Rdn. 11;
dagegen Ulmer in Münch.Komm.z.BGB 4. Aufl. § 705 Rdn. 359; Schäfer, Die
Lehre vom fehlerhaften Verband 2002, S. 143 ff.; Hüffer, Gesellschaftsrecht,
6. Aufl. § 22 Fn. 28; vermittelnd – nur bei atypischen Gesellschaften –
K. Schmidt in Münch.Komm.z.HGB § 230 Rdn. 130 ff.). Das kann aber jedenfalls
dann nicht gelten, wenn der Vertragspartner des stillen Gesellschafters,
der Inhaber des Handelsgeschäfts i.S. des § 230 HGB, verpflichtet ist, den stillen
Gesellschafter im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als hätte er
den Gesellschaftsvertrag nicht abgeschlossen und seine Einlage nicht geleistet.
Jedenfalls ein solcher Anspruch unterliegt nicht den Beschränkungen nach den
Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft (Sen.Urt. v. 24. Mai 1993
II ZR 136/92, ZIP 1993, 1089, 1090 f.; Bayer/Riedel, NJW 2003, 2567, 2571 f.;
von Gerkan, EWiR § 235 HGB 1/03, S. 1037 f.; a.A. Armbrüster/Joos, ZIP 2004,
189, 198).

Das ergibt sich aus den Besonderheiten der stillen Gesellschaft im Gegensatz
zu einer Publikumsgesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft
bürgerlichen Rechts oder einer Kommanditgesellschaft. Wer einer solchen Publikumsgesellschaft
beitritt, um sein Vermögen anzulegen, kann bei einer mangelhaften
Aufklärung über die Risiken und Chancen des Anlageprojekts von der
Gesellschaft weder Schadensersatz noch sonst Rückabwicklung seiner Gesellschaftsbeteiligung
verlangen, weil die fehlerhafte Aufklärung der Gesellschaft
nicht zugerechnet werden kann. Der einzelne Gesellschafter hat auf die Beitrittsverträge
neuer Gesellschafter keinerlei Einwirkungsmöglichkeiten, tritt insoweit
auch nicht in Erscheinung und ist im Gegenteil bei seinem eigenen Eintritt
in die Gesellschaft regelmäßig selbst getäuscht oder jedenfalls nicht ordnungsgemäß
aufgeklärt worden (st.Rspr., s. etwa Sen.Urt. v. 21. Juli 2003
II ZR 387/02, NJW 2003, 2821, 2822). Wohl aber hat der eintretende Gesellschafter
Schadensersatzansprüche gegen die Initiatoren der Gesellschaft, gegen
die Gründungsgesellschafter und gegen diejenigen, die sonst für die Mängel seines
Beitritts verantwortlich sind (BGHZ 26, 330, 333 f.). Das ist bei der
stillen Gesellschaft in dem vorliegenden Anlagemodell anders. Hier tritt der Anleger
nicht einer bestehenden Publikumsgesellschaft bei, sondern bildet mit der
von dem Initiator des Anlageprojekts gegründeten Aktiengesellschaft eine neue
– stille – Gesellschaft. Dabei beschränken sich seine Rechtsbeziehungen allein
auf diese Aktiengesellschaft. Sie schuldet ihm bei einer Beendigung der stillen
Gesellschaft das Auseinandersetzungsguthaben. Zugleich haftet sie ihm nach
den Grundsätzen der Prospekthaftung und des Verschuldens bei Vertragsschluß,
jeweils i.V.m. § 31 BGB und ggf. § 278 BGB, auf Schadensersatz. Anders
als bei einer Publikumsgesellschaft richten sich der Auseinandersetzungsund
der Schadensersatzanspruch gegen dieselbe Person. Nicht eine solche
Gesellschaft ist Adressat des gesellschaftsrechtlichen Rückabwicklungsanspruchs,
sondern ausschließlich die als Inhaberin des Handelsgewerbes i.S.
des § 230 HGB auftretende Aktiengesellschaft, mit der allein der stille Gesellschaftsvertrag
zustande gekommen ist, und die zugleich im Wege des Schadensersatzes
verpflichtet ist, etwaige Minderungen der gesellschaftsrechtlichen
Einlage auszugleichen. Dann aber kann der Schadensersatzanspruch nicht
nach den Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft beschränkt sein. Auch der
Schutz der Gläubiger gebietet eine solche Beschränkung nicht, schon weil es
bei der stillen Gesellschaft an einem durch Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften
geschützten Gesellschaftsvermögen fehlt.

Da der Kläger somit seinen Schadensersatzanspruch ohne Einschränkungen
durch die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft geltend machen
kann, bedarf es keiner Entscheidung der Frage, ob diese Grundsätze – wie die
Revisionserwiderung meint – auch deshalb nicht zur Anwendung kommen würden,
weil die stille Beteiligung des Klägers an der beklagten Aktiengesellschaft
einen Teilgewinnabführungsvertrag i.S. des § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG darstellt
(vgl. Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 – II ZR 109/02, NJW 2003, 3412, 3413) und deshalb
nach § 294 Abs. 2 AktG erst wirksam wird mit der Eintragung in das Handelsregister,
wozu das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat.

Entgegen der Auffassung der Revision kommt es auch nicht darauf an,
ob der Kläger aufgrund seiner Beteiligung Steuervorteile erlangt hat. Darauf
hätte sich die Beklagte in den Tatsacheninstanzen berufen müssen, was nicht
geschehen ist.

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